Partizipation in unserer Kita!

Sowohl in der UN-Kinderrechtskonvention, als auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz, wird Partizipation als pädagogischer Grundsatz in Kindertageseinrichtungen festgeschrieben.

Wir haben uns als Team, im Rahmen eines intensiven Prozesses, mit der Frage beschäftigt, was Partizipation heißt, was sie für uns konkret bedeutet, warum und wie wir sie in unserer Einrichtung umsetzen wollen und können. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass Partizipation in den Köpfen der Erwachsenen beginnt und EINE HALTUNG IST.

Partizipation gelingt da, wo wir Kinder als Experten ihres eigenen Lebens ernst nehmen, sie als gleichwertige Partner ansehen und bereit sind, Macht abzugeben und zu teilen.

Um aktive Teilhabe leben zu können, benötigen Kinder eine Atmosphäre, in der sie sich zugehörig, wohl- und ernstgenommen fühlen und Erwachsene, die ihnen mit Wertschätzung und Respekt begegnen, die ihnen zuhören und vertrauen. WARUM ist es uns so wichtig, dass KINDER in unserer KiTa aktiv mitbestimmen und mitgestalten dürfen?

Kinder lernen, ihre Bedürfnisse und Meinungen wahrzunehmen und zu äußern, Missstände zu erkennen und aufzudecken.

  • Sie erfahren, dass ihre eigenen Ideen, Wünsche und Bedürfnisse gehört werden, dass ihre Meinung zählt. "
  • Kinder lernen, dass sie Rechte haben und in Anspruch nehmen dürfen.
  • Sie entwickeln Eigenständigkeit und Selbstvertrauen und erleben: „Ich bin richtig und wichtig.“
  • Sie gewinnen Vertrauen in die eigenen Potentiale, erwerben Kompetenzen zur individuellen Lebensbewältigung.
  • Kinder lernen, einander zuzuhören und Kompromisse einzugehen. Dialogfähigkeit und Kooperation werden gestärkt.
  • Aktive Mitgestaltung ermöglicht erfolgreiche Bildung und Übernahme von Verantwortung.
  • Kinder, die an der Erstellung von Regeln mitgewirkt haben, können diese besser verstehen und einhalten.
  • Erwachsene erfahren, was die Kinder aktuell beschäftigt und wie sie sich damit auseinandersetzen.
  • Kinder erleben zentrale Prinzipien von Demokratie.
 

„Eine demokratisch verfasste Gesellschaft ist die einzige Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss.“

- Oskar Negt-

Im Gesamtteam wurde eine KiTa-Verfassung erarbeitet, in der die Rechte der Kinder in unserer Einrichtung geklärt und Gremien und Verfahren beschrieben sind, die den Kindern ermöglichen, diese Rechte auch wahrzunehmen. Bevor diese Verfassung in Kraft getreten ist, wurde sie vom Elternausschuss verabschiedet. In unserer KiTa-Verfassung wird deutlich, dass es unser Ziel ist, Kinder – entsprechend ihres Entwicklungsstandes – am gesamten KiTa-Alltag aktiv teilhaben zu lassen. Sie zeigt aber auch auf, dass es Grenzen der Mitbestimmung gibt, v.a. da, wo Eltern und pädagogische Fachkräfte eine zu große Gefahrenquelle sehen.

Um Partizipation mit den Kindern leben zu können, bedarf es, unserer Meinung nach, ebenfalls klarer partizipativer Strukturen in der Zusammenarbeit mit allen beteiligten Erwachsenen.

→ Es ist uns ein großes Anliegen, ELTERN aktiv an der Gestaltung des KiTa-Lebens mitwirken zu lassen (siehe Punkt ….. „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“)

→ Das TEAM wirklich partizipieren zu lassen, gelingt nur da, wo das LEITUNGSTEAM bereit ist, Macht und Verantwortung zu teilen und die MitarbeiterInnen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu zeigen.

→ Gleiches trifft auf die Zusammenarbeit mit unserem TRÄGER zu: Gelebte Partizipation ist ein Wechselspiel zwischen Mitgestaltung ermöglichen und wahrnehmen.

 

„Partizipation heißt, Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und gemeinsam Lösungen zu finden.“

-Annedore Prengel-

1. Kinderverfassung Kita St. Nikolaus Kirchen

Präambel

  • Vom 29. bis 30.06.2020 trat in der Kindertagesstätte „St. Nikolaus“ das Team als Verfassunggebende Versammlung zusammen. Die pädagogischen Fachkräfte verständigten sich auf die künftig in der Einrichtung geltenden Partizipationsrechte der Kinder.
  • Die Beteiligung der Kinder an sie betreffenden Entscheidungen wird damit als Grundrecht anerkannt. Die pädagogische Arbeit soll an diesem Grundrecht ausgerichtet werden.
  • Gleichzeitig ist die Beteiligung der Kinder eine notwendige Voraussetzung für gelingende Selbstbildungsprozesse und die Entwicklung demokratischen Denkens und Handelns.

 

Abschnitt 1: Verfassungsorgane

§ 1 Verfassungsorgane

  • Verfassungsorgane der Kindertagesstätte „St. Nikolaus“ sind die Gruppenkonferenzen, das Mäuseparlament und die Mäusesprechstunde.

 

§ 2 Gruppenkonferenzen

  • Die Gruppenkonferenzen müssen mindestens einmal in der Woche und können, bei Bedarf, mehr als einmal in der Woche in den Gruppen „Pusteblume“, „Kleine Strolche“ und „Schneckenhaus“ stattfinden.
  • Die Gruppenkonferenzen setzen sich aus allen Kindern und den pädagogischen Fachkräften der jeweiligen Gruppe zusammen. Die Teilnahme an der Gruppenkonferenz ist für die Kinder freiwillig.
  • Die Gruppenkonferenzen entscheiden im Rahmen der in Abschnitt 2 geregelten Zuständigkeitsbereiche über alle Angelegenheiten, die ausschließlich die jeweilige Gruppe betreffen.
  • Bei der Entscheidungsfindung wird ein Konsens angestrebt. Im Zweifel entscheidet die einfache Mehrheit aller anwesenden Konferenzmitglieder, jedoch nie gegen die Stimmen aller Erwachsenen oder gegen die Stimmen aller Kinder.
  • Die Gruppensitzungen und alle getroffenen Entscheidungen werden in Wort und Bild protokolliert.
  • Die Kinder der jeweiligen Gruppe wählen aus ihrem Kreis die Delegierten für das Mäuseparlament. Jede Gruppe entsendet drei Delegierte.
  • Die Wahlen erfolgen als freie Wahl unter allen, die sich bereit erklären, zu kandidieren. Die Legislaturperiode beträgt ein Vierteljahr. Wiederwahl ist möglich.
  • Die Kinder der jeweiligen Gruppe wählen aus dem Gesamtteam der Kindertagesstätte eine Vertrauenserzieherin, der sie sich, bei Bedarf, anvertrauen können und die die Delegierten zu den Sitzungen des Mäuseparlamentes begleitet, um sie dort bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Die Legislaturperiode für die, in freier Wahl gewählte, Vertrauenserzieherin beträgt ein halbes Jahr. In deren Abwesenheit übernimmt die Person die Vertretung, die die Wahl mit den zweitmeisten Stimmen gewonnen hat.

 

§ 3 Mäuseparlament

  • Das Mäuseparlament tagt im Zweiwochenrhythmus
  • Das Mäuseparlament setzt sich aus den Delegierten der Gruppenkonferenzen, der von den Kindern gewählten Vertrauenserzieherin und der Einrichtungsleitung zusammen. Alle Beteiligten sind stimmberechtigt.
  • Das Mäuseparlament entscheidet im Rahmen der im Abschnitt 2 geregelten Zuständigkeiten über alle Angelegenheiten, die die ganze Einrichtung betreffen.
  • Bei der Entscheidungsfindung wird ein Konsens angestrebt. Im Zweifel entscheidet die einfache Mehrheit aller anwesenden Parlamentsmitglieder, jedoch nie gegen die Stimmen aller Erwachsenen oder gegen die Stimmen aller Kinder.
  • Bei Bedarf können Elternvertreter, Träger oder Experten in einer beratenden Funktion eingeladen werden.
  • Die Parlamentssitzungen und alle getroffenen Entscheidungen werden in Wort und Bild dokumentiert und in der Parlamentsecke der Einrichtung veröffentlicht.

 

§ 4 Mäusesprechstunde

  • Im Zweiwochenrhythmus haben jeweils 2 freiwillige Kinder aus den Nestgruppen „Gänseblümchen“ und „Spatzennest“, die ihren Teilnahmewunsch zuvor im Rahmen des Morgenkreises geäußert haben, die Möglichkeit, an einer Mäusesprechstunde mit der Einrichtungsleitung teilzunehmen.
  • Mit spielerischen Elementen und einer kurzen Gesprächsrunde haben die anwesenden Kinder die Möglichkeit, kleinschrittig auf die Strukturen des Mäuseparlamentes hingeführt zu werden.
  • Es finden keine Entscheidungen statt.

 

 

 

Abschnitt 2: Zuständigkeitsbereiche

§ 5 Tagesablauf

  • Die Kinder haben das Recht mitzuentscheiden über die Gestaltung des Tagesablaufs in den Gruppen und in der Einrichtung.
  • Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor zu bestimmen,
  1. dass die Gruppen einmal am Tag zum Morgenkreis zusammenkommen,
  2. wann Mahlzeiten und Ruhezeiten stattfinden.
  • Kinder haben das Recht, ihren Alltag in der Kindertageseinrichtung selbstbestimmt zu gestalten. Dieses Recht umfasst u.a. die Möglichkeiten, den Morgenkreis zu moderieren, selbst zu entscheiden, mit wem sie was, wo und wann spielen, sowie sich gegen eine Beteiligung an Aktivitäten zu entscheiden.
  • Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, die Öffnungszeiten der Spiel- und Lernwerkstätten und die Anzahl der Anwesenden in den jeweiligen Aktionsbereichen zu begrenzen.

Entwicklungsbedingt werden die Kinder ggf. von pädagogischen Fachkräften begleitet.

  • Kinder haben das Recht auf individuelle und bedürfnisorientierte Begleitung beim Ankommen, so wie beim Verabschieden.

Kinder haben dabei das Recht, durch die pädagogischen Fachkräfte eine sensible Unterstützung in der Übergangsgestaltung zu erfahren.

 

§ 6 Raumgestaltung

  • Kinder haben das Recht mitzuentscheiden, über die Gestaltung aller Räume, die sie betreffen, einschließlich des Außengeländes. Spielmaterial darf zweckentfremdet werden, wenn §7 (Regeln)eingehalten wird.

 

§ 7 Regeln

  • Die Kinder haben das Recht mitzuentscheiden, über die Regeln des Zusammenlebens in der jeweiligen Gruppe und in der Einrichtung. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich jedoch das Recht vor zu bestimmen und durchzusetzen,
    1. dass niemand physisch oder psychisch verletzt werden darf.
    2. dass mit den Einrichtungsgegenständen und dem Material achtsam umgegangen wird,
    3. dass die Kinder nicht ohne Zustimmung einer pädagogischen Fachkraft das Gebäude oder das Einrichtungsgelände verlassen dürfen.
  • Die derzeit geltenden Regeln für die Nutzung des Außengeländes befinden sich im Anhang.

 

§ 8 Außengelände

  • Die Kinder haben das Recht, sich ihres Alters- und Entwicklungsstandes entsprechend, frei auf dem Außengelände zu bewegen. Hierbei sind die in §7 festgeschriebenen Regeln einzuhalten. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, die Anzahl der Kinder und die Aufenthaltsdauer zu begrenzen.

 

§ 9 Konfliktlösung

  • Kinder haben das Recht, unter der Berücksichtigung von §7 (Regeln) selbstbestimmt Konflikte zu lösen. Kinder haben das Recht, sich Hilfe einzufordern.

 

§ 10 Sicherheitsfragen

  • Die Kinder haben nicht das Recht mitzuentscheiden in Fragen, die die Sicherheit betreffen.

 

§ 11 Themen

  • Die Kinder haben das Recht mitzuentscheiden über die Themenauswahl, Planung und Durchführung von gruppeninternen und gruppenübergreifenden Aktivitäten und Projekten.
  • Die Kinder haben das Recht mitzuentscheiden, ob, wohin und wie Ausflüge stattfinden.
  • Die Kinder haben das Recht mitzuentscheiden, ob und wie Feste gefeiert werden.
  • Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, dass Kinder während ihres letzten KiTa-Jahres am Schulkindertreff teilnehmen.

 

§ 12 Mahlzeiten

  • Die Kinder haben das Recht, selbst zu entscheiden, ob, was, wann und wie viel sie essen und trinken, sofern keine Einschränkungen aus Elternsicht bekannt sind. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, den Ort, die Zeit und die Tischkultur zu bestimmen. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, die Kinder entwicklungsgerecht zu unterstützen.

 

§ 13 Kleidung

  • Die Kinder haben das Recht, selbst zu entscheiden, welche Oberbekleidung sie in den Innenräumen tragen.
  • Die Kinder haben das Recht, mitzubestimmen, welche Oberbekleidung sie bei trockenem Wetter auf dem Außengelände tragen. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich jedoch das Recht vor zu bestimmen:
  1. wann und wo die Kinder barfuß laufen dürfen,
  2. wann die Kinder Sonnenschutzkleidung tragen müssen,
  3. wann die Kinder Regenkleidung tragen müssen.

 

§ 14 Hygiene

  • Kinder haben das Recht, für ihre eigene Körperhygiene zu sorgen. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, die Kinder in Situationen, die eine Hygienemaßnahme erfordern, auf die Notwendigkeit hinzuweisen und sie bei Bedarf zu begleiten.
  • Kinder haben das Recht, selbst zu entscheiden, ob und wann sie zur Toilette gehen. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich das Recht vor, das Kind auf die Notwendigkeit hinzuweisen.
  • Kinder, die Windeln tragen, haben das Recht mitzuentscheiden, wann und von wem sie gewickelt werden. Die pädagogischen Fachkräfte behalten sich jedoch das Recht vor, bei Notwendigkeit zum Wohle des Kindes zu handeln.

 

§ 15 Schlafen

  • Kinder haben ein Recht auf Schlaf. Sie bestimmen ob, wann und wie sie schlafen möchten. Sie haben das Recht auf die Mitgestaltung der Schlafsituation.

 

§ 16 Personalangelegenheiten

  • Kinder haben das Recht, nach Probearbeitstagen potentieller neuer pädagogischer Fachkräfte angehört zu werden.

 

§ 17 Gruppenzugehörigkeit

  • Kinder, die neu in die Einrichtung aufgenommen werden, haben nicht das Recht, über ihre Gruppenzugehörigkeit mitzuentscheiden.
  • Kinder, die vom U3-Bereich in den Ü3-Bereich wechseln haben das Recht, zu ihrer Gruppenzugehörigkeit angehört zu werden.

 

§ 18 Finanzangelegenheiten

  • Kinder haben das Recht, bei der Anschaffung neuer Möbel und Materialien angehört zu werden.

 

§ 19 Öffnungszeiten

  • Die Kinder haben nicht das Recht mitzuentscheiden über die Öffnungs- und Schließzeiten der Einrichtung.

 

Abschnitt 4: Geltungsbereich und Inkrafttreten

§ 20 Geltungsbereich

Die vorliegende Verfassung gilt für die Kindertagesstätte „St. Nikolaus“. Die pädagogischen Fachkräfte verpflichten sich mit der Unterschrift, ihre pädagogische Arbeit an den Beteiligungsrechten der Kinder auszurichten.

§ 21 Inkrafttreten

Die Verfassung tritt unmittelbar nach Unterzeichnung durch die pädagogischen Fachkräfte der Kindertagesstätte „St. Nikolaus“ in Kraft.